Digitalisierung und E-Commerce – Wohin mit meinem Außendienst?
Wovor haben kleine- und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung des Vertriebs vor allem Angst? Auf diese simple Frage gibt es sicherlich vielfältige und komplexe Antworten. Eine lautet aber definitiv: Unternehmen haben vor allem vor organisatorischen und strukturellen Veränderungen Angst.
Kleine- und mittelständische Unternehmen trauen sich nicht deswegen in den E-Commerce, weil sie die grundsätzlichen Investitionen und Risiken scheuen würden oder nicht überblicken könnten. Nein, KMUs trauen sich die Digitalisierung des Vertriebs vor allem aufgrund des organisatorischen Aufwands nicht zu. Weil sie im Unternehmen Abteilungen umkrempeln und Rollen von Mitarbeitern neu definieren müssen.
Eine Rolle bzw. Abteilung die in 90 % der Fälle immer genannt wird, ist der Außendienst. Ist der Außendienst aber so wichtig und unantastbar, dass dieser die komplette Vertriebsdigitalisierung in den Unternehmen boykottieren oder gar stoppen kann?
Der Außendienst – die eierlegende Wollmilchsau des Vertriebs?
Auch viele Leser des Blogs werden in ihrem Unternehmen einen Außendienst haben. Personen, die von morgens bis abends im Auto sitzen, Industriegebiete abfahren und die Produkte und Leistungen des Unternehmens verkaufen. Manch ein Geschäftsführer nennt den Außendienst daher das Rückgrat des Unternehmens. Ohne Außendienst werden keine Aufträge geschrieben, keine Produkte verkauft und keine Gewinne erzielt.
Aber ist dies wirklich der Fall und ist der größte Feind des Außendienstes tatsächlich der E-Commerce? Lassen Sie mich daher zuerst auf die Aufgaben bzw. die Rolle des Außendienstes eingehen. Ein gutes Gefühl für die Aufgaben des Außendienstes bietet die Definition von alphajump.de:
“Was ist ein Außendienstmitarbeiter? Ein Außendienstmitarbeiter ist im Vertrieb tätig. Er ist also für die Gewinnung von neuen Kunden zuständig, und betreut die Kunden vor Ort durch persönlichen Kontakt. Um dabei möglichst hohe Umsätze für das Unternehmen zu generieren, übernimmt der Außendienstmitarbeiter alle Maßnahmen von der ersten Akquise und Produktberatung bis hin zur Auftragserstellung. Neben dem Vertriebstalent ist oft auch ein technischer Hintergrund gefragt. So können je nach Komplexität des Produktes auch kleine Serviceleistungen ein Teil des Aufgabenbereichs sein.“
Ein Außendienstmitarbeiter ist, das zeigt die Definition, für eine ganze Menge an Aufgaben innerhalb des Unternehmens verantwortlich. In einer etwas übersichtlicheren Form dargestellt ergeben sich aus der obigen Definition folgende Aufgaben für Ihre Außendienstmitarbeiter:
- Vertrieb von Produkten
- Gewinnung von Neukunden
- Betreuung von Bestandskunden
- Generierung von möglichsten hohen Umsätzen
- Produktberatung & Services
- Angebots- und Auftragserstellung
Zugegebenermaßen ist der Außendienst also wichtig, da er oftmals die Schlüsselpositionen direkt am Kunden übernimmt.
Wobei auch hier die Frage lautet: Muss der Außendienst denn tatsächlich diese Schlüsselpositionen übernehmen? Oder wurde ihm diese eher im Laufe der letzten Jahrzehnte einfach aufgebürdet?
Hochqualifizierter Vertrieb
Lassen Sie uns daher zuerst einen Blick auf die Qualifikationen eines Außendienstmitarbeiters werfen. Aufgrund der unzähligen Anforderungen, Sie haben weiter oben bereits einen Einblick erhalten, ist es nicht verwunderlich, dass ein Mitarbeiter im Außendienst entsprechend viel Know-how benötigt. Unterteilt man die Kompetenzen in „Must-have“ und „Nice-to-have“, ergibt sich grob folgende Aufteilung:
Must-haves:
- Kaufmännisches Basiswissen
- Präsentations- und Verkaufstechniken
- Technisches Grundverständnis
Nice-to-have:
- Kommunikationsgeschick
- Organisationstalent
- Empathie
- Reisebereitschaft
- Durchsetzungsvermögen
- Kampfgeist
- Fremdsprachenkenntnisse
- Branchenwissen
Know-how in Form einer guten Ausbildung und vor allem Erfahrung, bedeutet allerdings auch einen hohen Invest. Daher überrascht es nicht, dass Sie für Außendienstmitarbeiter locker Gehälter von 30.000 bis 100.00 Euro pro Jahr zahlen – ohne Sozialabgaben und zusätzliche Kosten wie einen Firmenwagen.
Die Personen in Ihrem Unternehmen, welche für den Verkauf der Produkte und Leistungen verantwortlich sind, sind also hoch qualifizierte Mitarbeiter – mit ordentlichen Gehältern. Verständlich, dass sich diese nicht von einer E-Commerce Software die Show stehlen lassen wollen! Aber ist das die richtige Perspektive?
Die Auswirkungen durch die Digitalisierung des Vertriebs
Welche Auswirkung hat denn ganz konkret die Digitalisierung Ihres Vertriebs? Ganz gleich ob Sie einen Online-Shop aufsetzen, oder ein digitales Vertriebstool implementieren – es wird vor allem Arbeitslast von Ihren Mitarbeitern, sprich dem Außendienst, genommen und auf die Software übertragen.
Führen Sie beispielsweise einen klassischen Online-Shop ein, in dem Ihre Kunden Produkte und Leistungen beziehen können, lassen sich folgende Aufgaben direkt auf die E-Commerce Software übertragen bzw. von dieser effizient unterstützen:
- Produktpräsentation und Information
- Annahme von Bestellungen
- Services wie z.B. Angebotsanfragen
- Up- sowie Cross-Selling
- Umsatzsteigerungsmaßnahmen
- administrative Bestandskundenbetreuung
Dies sind Aufgaben, die in der Vergangenheit auch Ihr Außendienst übernommen hat. Die Einführung einer digitalen Vertriebsstrategie und eines digitalen Vertriebstools führt also dazu, dass Aufgaben von Ihrem Außendienst abwandern und zukünftig elektronisch abgewickelt werden können.
Das ist aber auch gut so! Denn durch die Verlagerung der Aufgaben können Sie folgende, positive Effekte erzielen:
- Besserer Kundenservice und Kundenbindung, da 24/7 erreichbar
- Loslösung von regionalen Einschränkungen und Begrenzungen
- Kostensenkung und Prozessoptimierung
- Erweiterung der potenziellen Zielgruppe
Ein digitaler Vertrieb hilft Ihnen vor allem dabei, besser zu skalieren, weil viel mehr Kunden erreicht werden können, dadurch höhere Umsätze zu generieren und dabei zeitgleich Kosten zu senken.
Neue Aufgabenfelder für Ihren Außendienst
An dieser Stelle können Sie bereits gedanklich ein kurzes Zwischenfazit ziehen. Wie eingangs beschrieben, kümmert sich der Außendienst klassischerweise um eine Vielzahl von Aufgaben. Etliche dieser Aufgaben lassen sich aber, Sie haben das bereits in diesem Beitrag gesehen, problemlos digitalisieren. Eine Bestellung muss heutzutage nicht mehr persönlich angenommen werden – ein digitales Vertriebstool leistet das genauso gut, wenn nicht sogar besser. Kunden können Adressänderungen auch selbst in ein System eingeben und haben so auch die Gewissheit, dass die Änderung tatsächlich registriert wurde.
Oder anders formuliert: Unternehmen lassen bisher simpelste Aufgaben von hoch qualifizierten und teuren Fachkräften erledigen. Wirtschaftlich betrachtet, können Sie keine größere Fehlentscheidung treffen. Natürlich gibt es aber weiterhin in Ihrem Vertrieb Aufgaben, die ein digitales Vertriebstool nicht lösen kann. Denn immer wenn der Faktor Mensch im Mittelpunkt steht, kommen Sie bei der Digitalisierung an Grenzen. Genau diese Grenzen müssen Sie identifizieren und die entsprechenden Aufgaben an Ihren Außendienst übertragen.
Hierzu zählen beispielsweise:
- Betreuung von A-Kunden
- Bearbeitung hoch individueller Anfragen und Angelegenheiten
- Feelgood Management
- Reaktivierung von inaktiven Kunden
- Akquise von Neukunden
Genau diese herausfordernde Aufgaben muss Ihr Außendienst übernehmen, da die Technologie dies nicht leisten kann. Hier ist allenfalls eine Unterstützung möglich.
Fazit – Koexistenz, Ergänzung oder Erzfeind?
Macht es Sinn, komplett auf die Digitalisierung zu verzichten, nur weil Ihr Außendienst so ein gutes Standing hat? Nein! Und ist der Außendienst grundsätzlich der größte Feind des E-Commerce? Das muss nicht sein! Wohin also mit Ihrem Außendienst?
Die Aufgabenstellung erscheint relativ komplex, der Lösungsweg ist aber dennoch recht simpel und geradlinig. Grundsätzlich hat in jedem Unternehmen ein bestehender Außendienst ein Existenzrecht. Denn ja, in der Vergangenheit war dieser größtenteils für Umsätze verantwortlich. Aber der Außendienst übernimmt in der Praxis auch Aufgaben, für die er überqualifiziert ist.
Wenn Sie Ihren Vertrieb digitalisieren, geht es im ersten Schritt darum, die administrative Last des Außendienstes zu senken und eben alle Aufgaben auf eine digitale Vertriebsplattform zu verlagern, die ein teurer und hochqualifizierter Außendienstmitarbeiter nicht übernehmen muss. Die Abgrenzung der Aufgaben, Rollen und Tätigkeiten zwischen digitaler Vertriebsplattform und Außendienst ist also essenziell. Die Bewertung, welche dies sind, ist natürlich von Ihren jeweiligen Voraussetzungen (Kundenklientel, Beratungsbedarf, Vertriebsnetz etc.) abhängig.
Sobald Sie das getan haben, kann sich Ihr Außendienst aber den wirklich geschäftskritischen und komplexen Vertriebsaufgaben widmen. Zum einen sorgt das bei Ihren Mitarbeitern für eine höhere Motivation (zumindest sollte es das), zum anderen räumt diese Aufteilung auch mit dem Mythos auf, dass der Außendienst und der E-Commerce sich als Feinde gegenüberstehen.
Bei einer erfolgreichen Digitalisierung des Vertriebs geht es primär darum, Aufgaben besser zu verteilen, Skalierungsmöglichkeiten zu schaffen, Kosten zu reduzieren und Umsätze zu steigern. Und genau hierfür braucht es beides: Digitales Vertriebstool sowie einen fokussierten Außendienst, der sich den wirklich komplexen Fragestellungen widmet.