Kosten für einen Onlineshop? Teil 2
In Teil 1 unserer kleinen Serie „Was kostet ein Onlineshop“ ging es um den Unterschied zwischen Kosten und Investitionen sowie um die richtige Perspketive auf ein Projekt: Geht es nur um einen Onlineshop oder will man mehr, etwa den gesamten Vertriebsprozess neu, digital und effizient aufziehen? Das hat vielleicht die Erwartung des ein oder anderen enttäuscht, belastbare Informationen zu den konkreten Aufwänden zu bekommen. Das hole ich jetzt im 2. Teil nach, bleibe aber beim weiter gedachten Digitalisierungsszenario für KMUs.
An welchen Stellen entstehen Kosten für einen Onlineshop?
Und nochmal, man sollte besser von Investitionen und Aufwänden sprechen. Vorausgesetzt Sie möchten Ihren Vertrieb digitalisieren und nicht einfach nur eine Onlineshop-Software einführen ist es unerlässlich die verschiedenen Bereiche, in denen Aufwände entstehen, zu kennen. Dieser Überblick hilft Ihnen schlussendlich auch bei der Kalkulation der Gesamtinvestitionen.
1. Kostenblock: Zielsetzung und Strategieentwicklung
Im ersten Schritt müssen Sie intern eine Strategie entwickeln bzw. damit beginnen. Hierfür benötigen Sie zum einen verschiedene Fachabteilungen, sowie weitere Ansprechpartner in Ihrem Unternehmen. Primär geht es darum, die folgenden Fragen zu klären:
- Warum digitalisieren wir den Vertrieb?
- Welche Probleme sollen mit der Digitalisierung des Vertriebs gelöst werden?
- Was sind die Erwartungen der verschiedenen Fachabteilungen?
- Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf das gesamte Unternehmen?
- Worin liegen die Vorteile für die Kunden?
- In welchem zeitlichen Rahmen kann die Digitalisierung erfolgen?
In dieser ersten Phase können Sie sich von einem Dienstleister unterstützen lassen – es ist aber kein muss. Ein Dienstleister kann oftmals dabei helfen, aus den mehrdimensionalen Antworten zu obigen Fragen klare Ziele – und ggf. schon konkrete Anforderungen – wesentlich schneller zu identifizieren bzw. zu definieren. Genau hierbei helfen wir kleinen und mittelständischen Unternehmen mit unserer E-Commerce Strategieentwicklung, in deren Rahmen auch bereits ausgearbeitete Strategien geprüft bzw. validiert werden können.
Workshops mit oder ohne Dienstleister?
Sie werden mit Ihren Kollegen sicherlich mehrere Workshops inklusive Vor- und Nachbearbeitung durchführen. Angenommen Sie verzichten an dieser Stelle auf einen Dienstleister, wird die Anzahl dieser Workshops jedoch deutlich steigen. Dafür gibt es mehrere Gründe, die letzlich alle damit zusammenhängen, dass es Ihnen an Expertise beim Thema E-Commerce und Vertriebsdigitalisierung mangelt. Sie benötigen mehr Zeit, sich das Thema anzueignen, Ihre Workshops inhaltlich sinnvoll zu strukturieren und zielgerichtet relevante Fragen zu stellen. Vieles werden Sie doppelt und dreifach besprechen, da Ihnen zu Beginn noch nicht klar ist, worauf es wirklich ankommt.
Nehmen wir an, es sind im Schnitt 4 – 5 Personen involviert (IT, Marketing, Sales, Business Development/Geschäftsführung und z.B. Logistik), können Sie sicherlich Pro Person mit einem Arbeitseinsatz von 5 – 15 Personentagen rechnen. In Summe haben Sie daher recht schnell interne Aufwände in Höhe von 20 – 60 Personentage. Mit einem Dienstleister kann dieser Aufwand sicher um die Hälfte niedriger sein.
2. Kostenblock: Anforderungsmanagement
Nachdem der strategische Fahrplan definiert ist, müssen im nachfolgenden Schritt Anforderungen definiert werden. Wichtig ist dabei, alle Anforderungen zu erfassen und nicht ausschließlich diejenigen, die in direkter Verbindung zur Onlineshop-Software stehen.
Beachten Sie im Rahmen des Anforderungsmanagements vor allem folgende Themen:
- Produktdaten
- Preisgestaltung
- Technische Anforderungen an den Onlineshop
- Kundendatenmanagement
- Faktura
- Vermarktung
- Prozessoptimierung und Verbesserung
- uvm.
Als Ergebnis entstehen im Rahmen des Anforderungsmanagement eine Vielzahl von Dokumenten. Hierzu zählen User Stories, UML-Prozesscharts, Wireframes und weiterführende Spezifikationen. Die Anforderungen sollen dabei alle Informationen beinhalten, welche für die vollständige Digitalisierung des Vertriebs notwendig sind.
Inhaltlich sollte auf das Anforderungsmanagement die Auswahl des Systems und des passenden Implementierungsdienstleisters folgen. Erfahrungsgemäß werden Unternehmen aber schon im Anforderungsmanagement vom gewählten Implementierungsdienstleister, häufig einer Agentur, unterstützt, da diese oftmals mit viel Erfahrung und Know-How die wichtigsten Anforderungen und Ansätze identifizieren kann. Es entstehen daher intern und externe Aufwände, die jedoch stark von der Projektgröße abhängen. Dienstleister rechnen für ein sauberes Anforderungsmanagement inkl. Nachbearbeitung gerne mit Aufwänden von 10 – 20 Personentagen. Intern dürfte für Sie ein ähnlicher Aufwand entstehen, da Sie idealerweise aus den jeweiligen Fachabteilungen die entsprechenden Ansprechpartner einbinden sollten.
In Summe sind für das Anforderungsmanagement 20 – 40 Personentage an externen sowie internen Aufwänden zu rechnen.
3. Kostenblock: System- und Dienstleisterauswahl
Sobald Sie über eine Dokumentation der Anforderungen verfügen, können sowohl die benötigten Systeme wie auch Dienstleister ausgewählt werden. Organisatorisch ist dieser Punkt wie erwähnt jedoch oftmals vom Anforderungsmanagement nicht getrennt. Es ist nicht ganz unüblich zuerst einen Dienstleister auszuwählen und dann in das Anforderungsmanagement zu gehen, oder nur für das Anforderungsmanagement einen Dienstleister zu beauftragen und mit ihm gemeinsam einen Implementerungspartner zu evaluieren. Welches Vorgehen für Sie das beste ist, hängt von Ihrer Zielsetzung, Ihren Kapazitäten und Ihrem Know-how ab.
Bei der System- bzw. Dienstleisterauswahl entstehen für Sie primär interne Aufwände. Denn Agenturen berechnen für einen Pitch in der Regel keine Kosten – auch wenn es hierbei wieder Ausnahmen gibt. Gemeinhin werden die Aufwände als Akquisekosten betrachtet. Als Unternehmen können Sie sich aber auch externe Unterstützung für die Durchführung der Dienstleisterauswahl holen. Vorausgesetzt Sie führen den Pitch selbst durch, sollten Sie inklusive Vorbereitung, Vor-Ort Termine und Nachbereitung sowie Vertragsverhandlungen mit 20 – 30 Personentage rechnen. Auch hierbei sind wieder verschiedene Kollegen, beispielsweise die Rechtsabteilung, aber auch Fachabteilungen, involviert.
4. Kostenblock: Projekrealisierung
Unter der Projektrealisierung ist in erster Linie die technische Realisierung zu verstehen. Also derjenige Teil, der von Ihrem ausgewählten Implementierungspartner übernommen wird. Wie sind nun die Kosten für den reinen Onlineshop? Der Aufwand hängt auch hier wieder sehr stark vom Projekt und dessen Anforderungen ab. So können Sie eine sehr simple E-Commerce Lösung realisieren lassen – oder aber versuchen das Amazon Ihrer Branche zu werden. Aus diesem Grund ist die Angabe von externen Aufwänden an dieser Stelle schwierig.
Da ich in der Praxis jedoch sehr häufig mit unrealistischen Schätzungen und Annahmen konfrontiert werde, möchte ich Ihnen zumindest eine grobe Range liefern. Bei kleinen- und mittelständischen Unternehmen mit üblichen Anforderungen sollten Sie bei der Realisierung, unabhängig von der gewählten Software, mit Aufwänden von 150 – 400 Personentagen rechnen. Je nachdem wie komplex die Anforderungen in den Bereichen Schnittstellen, Funktionen und Design sind, variiert dieser Aufwand stark. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle mit dieser Zahl nur eines mitgeben: Eine erfolgreiche E-Commerce Plattform zur Digitalisierung Ihres Vertriebs werden Sie nicht in 30 Personentagen entwickeln können. Realistischer sind Zahlen im dreistelligen Bereich.
Kostenindikation
5. Kostenblock:Dienstleistersteuerung
Zur Dienstleistersteuerung zählen regelmäßige Meetings (Daily Standup, Weekly Standup, Sprint Planing), aber auch die Informationsbeschaffung bzw. Klärung von offenen Fragen und Themen. Ebenso ist ein Reporting, primär zur Überwachung des Projektverlaufs, Teil dieses Aufgabenpakets. Je nach Projektgröße kann es sich in der Realisierungsphase um einen Full-Time-Job handeln. Denn Rückfragen vom Dienstleister müssen zeitnah und ausführlich beantwortet werden. Rechnen Sie aber bei einem Projekt ohne größeren Herausforderungen mit knapp 10 – 12 Personentagen pro Monat. Bei dem angedachten Zeitraum von 4 bis 6 Monaten für eine digitale Vertriebsplattform, können Sie dann einen Wert von ca. 50 bis 70 Personentagen ansetzen.
6. Kostenblock: Qualitättsicherung
Zu guter letzt müssen Sie sich auch um die Qualitätssicherung kümmern. Sicherlich übernimmt der Implementierungspartner einen gewissen Teil und liefert Ihnen bereits getestete Komponenten, Schnittstellen und Prozesse. Doch es empfiehlt sich ebenfalls eine interne Qualitättsicherung aufzubauen und gemeinsam mit Kollegen das entwickelte System zu testen. Für diesen Bestandteil können Sie gut und gerne 15 bis 25 Personentage einplanen.
7. Kostenblock: Marketing
Auch wenn ich an dieser Stelle das gesamte Thema Marketing ausblenden möchte (dem werden wir uns später einmal widmen) müssen Sie eines beachten: Es ist nicht mit der Bereitstellung eines Online-Shops getan. Sie müssen, um Ihre Bestandskunden auf den neuen Vertriebskanal zu lenken und neue Kunden zu gewinnen, gewaltig ins Marketing gehen. Neben einem gut ausgestatteten Media Budget benötigen Sie in der Regel zudem externe Unterstützung sowie interne Ressourcen. Beim Mediabudget wird es vermutlich um mehrere zehntausend Euro und bei den externen und internen Ressourcen um mindestens 50 bis 60 Personentage für die erste Phase gehen.
Kontinuierlich entstehende Aufwände
Auch wenn Sie nach der Veröffentlichung der ersten Phase nicht direkt mit der Weiterentwicklung Ihres Systems starten – Sie werden permanent weitere Aufwände haben. Hierbei handelt es sich sowohl um interne Aufwände, beispielsweise für die Bearbeitung von Fehlermeldungen und die Abstimmungen mit Ihrem Dienstleister. Aber auch Ihr Dienstleister wird Zeit benötigen, um Updates einzuspielen und das System zu betreuen. Selbst wenn Sie die Aufwände so gering wie möglich halten, werden Sie pro Monat mindestens mit 4 – 6 Personentagen rechnen müssen.
Fazit – Mit welchen Gesamtinvestitionen muss man als KMU rechnen?
Sicherlich sind pauschale Aussagen wie die Kosten für einen Onlineshop betragen X schwierig. Denn es hängt immer vom jeweiligen Projekt und dessen Anforderungen ab. Aus diesem Grund habe ich mich bei der Ermittlung der Werte an klassischen KMU-Projekten orientiert und auf Erfahrungswerte zurückgegriffen. Für den initialen Start, sollten Sie die Zahlen nicht bereits selbst grob überschlagen haben, müssen Sie mit Investitionen im Bereich von 250 – 550 Personentage rechnen. Diese verteilen sich sowohl auf interne Ressourcen, wie auch auf externe Partner und Dienstleister.
Das bedeutet aber nicht, dass Ihr Projekt genau in diesem Bereich liegen muss. Die Zahlen sollen Ihnen vielmehr ein Gefühl über realistische Aufwände geben. Zum einen, dass Sie vernünftig Ihre internen Ressourcen planen können. Aber auch um speziell bei Angeboten von Implementierungspartnern einschätzen zu können, ob diese realistisch sind, oder nur der günstigste Anbieter einen Zuschlag erhalten möchte.