Wer mich kennt, der weiß, dass ich fast mein halbes (berufliches) Leben mit Magento verbracht habe. Von den ersten Alpha- und Beta-Versionen an habe ich den Aufstieg eines Sammelsuriums von Quellcode zu einer der erfolgreichsten E-Commerce Lösungen der Welt miterlebt. Glauben Sie mir, die Zeit war spannend! Vor allem aus einem Grund: Magento wurde so furchtbar gerne für alle möglichen Lösungen, Webshops, E-Commerce Systeme und Onlineshop-Konstrukte eingesetzt … Magento war gut, keine Frage, aber langsam stellt sich die Frage, ob Magento nicht am Ende seiner Zeit angekommen ist.
Denn neben Magento gibt es unglaublich viele Alternativen. Speziell in Deutschland sind wir hinsichtlich des Angebots an heimischen Onlineshop-Lösungen gesegnet. Spryker, OXID, Shopware, IntelliShop – nur um ein paar zu nennen. Magento ist nicht mehr das einzige System und erst recht nicht mehr das einzig Wahre, weswegen sich ein Blick auf andere Lösungen lohnt. In diesem Blogbeitrag möchte ich nicht Magento schlecht reden – keine Sorge. Vielmehr geht es mir um einen Vergleich bzw. Gegenüberstellung mit einem „heißen“ Kandidaten, der uns auch immer wieder in Pitches und Ausschreibungen begegnet. Hierbei handelt es sich um Shopware, einer ebenfalls rasant wachsenden Lösung aus dem schönen Schöppingen. Wer weiß, vielleicht bekommt es Shopware in den nächsten Jahre, wenn der Erfolg noch rasanter zunimmt, ja sogar hin, dass die Stadt in (Online-)Shoppingen umbenannt wird 😉
Beginnen wir beim Geld, denn oftmals spielt das Budget und die Kosten in Projekten eine signifikante Rolle. Das Geschäftsmodell von Shopware bzw. Magento ist relativ ähnlich. Beide Systeme verfügen über eine kostenfreie Open-Source sowie eine kostenpflichtige Edition. Bei Magento werden alle B2B Features nur in der kostenpflichtigen „Commerce Edition“ angeboten. Shopware geht hierbei etwas differenzierter vor und untergliedert die kommerzielle Edition nochmals in zwei Varianten.
Wer erfolgreich E-Commerce betreiben möchte, kommt wohl in beiden Fällen nicht um die kostenpflichtige Version herum. Bei Magento ist es u. a. aus rechtlichen Gründen, bei Shopware aufgrund von notwendigen Funktionen und Features. Wo jedoch Shopware die Nase vorn hat, ist beim absoluten Preis bzw. den Lizenzkosten: Schlägt bei Shopware die Professional Edition mit knapp 2.500 Euro zu Buche (einmalig), belaufen sich die Magento Lizenzkosten, je nach Umsatz, auf mehrere zehntausend Euro pro Jahr.
Sie können mit beiden Systemen kostenlos starten. Sobald aber Lizenzkosten anfallen, spielen Sie bei Magento in einer weitaus teureren Liga als bei Shopware. Je nach Use-Case und Geschäftsmodell kann das vollkommen in Ordnung sein – sehen Sie dies daher nicht als Wertung – aber dies ist der erste große Differenzierungspunkt der Systeme. Wer keine zehntausende Euro pro Jahr für Lizenzen ausgeben möchte, sollte eher zu Shopware greifen.
Vor allem für den B2C Use-Case verfügen beide Systeme über das nötige Handwerkszeug, um erfolgreich E-Commerce betreiben zu können. Mal hat das eine Systeme eine Funktion, welches das andere nicht hat, aber am Ende des Tages kommt es natürlich immer auf die konkreten Herausforderungen und Anforderungen innerhalb des Projekts an. Pauschale Aussagen wie „Magento ist besser, weil XYZ im Standard vorhanden ist“ sind schwierig.
Meiner Meinung nach, gibt es beim Funktionsumfang daher keinen allzu großen Unterschied. Für das B2C Szenario eignen sich beide Systeme. Customizing und die individuelle Anpassung sind sowieso in 90% der Projekte notwendig. Der einzige, wenn auch kleine Pluspunkt, ist bei der Shopware die grundsätzliche Ausrichtung auf den deutschen Markt. Hier wird definitiv, sollte es notwendig sein, schneller und effizienter auf rechtliche Änderungen und Anforderungen eingegangen. Magento hingegen, mit dem Fokus auf den US-Markt, erfordert unter Umständen Plugins und Erweiterungen, um rechtlich komplett konform betrieben werden zu können.
Lösen Sie sich von dem Gedanken, eine spezielle Online-Shop- Software zu kaufen. Sie kaufen viel mehr ein Gesamtpaket. Die Software, die Partner und Erweiterungen, das Umfeld und mögliche Dokumentationen sowie Hilfen. Bei der Wahl des passenden Webshop-Systems müssen Sie sich das im Hinterkopf behalten. Zwar spricht man häufig von der Software, aber am Ende des Tages müssen Sie sich für ein Gesamtpaket entscheiden.
Hatte Magento vor einiger Zeit noch eine relativ große Auswahl an Partnern, so wurde hier systematisch ausgedünnt. Aufgrund von strategischen Änderungen spricht Magento nun vor allem Enterprise-Kunden und große Projekte an. Logischerweise benötigt man dafür nicht allzu viele Implementierungspartner bzw. E-Commerce-Agenturen. Die Ausdünnung des Partnernetzwerkes hat also weniger mit einer verminderten Attraktivität Magentos zu tun. Adobe hat aufgrund der internen Weichenstellung hinsichtlich der Zielgruppe einfach dafür gesorgt, das eine geringere Anzahl an Implementierungspartner für den deutschen Markt ausreichend ist. Aktuell handelt es sich hierbei um ca. 20 Agenturen, die offizielle Magento bzw. Adobe Partner sind.
Hinsichtlich möglicher Agenturen sieht es im Shopware Universum ganz anders aus. So verfügt Shopware in Deutschland über mehrere hundert Partner bzw. als Partner gelistete Unternehmen. Klingt nach einem krassen Unterschied? Ja definitiv, wenn man die nackten Zahlen betrachtet. Doch das ist, ehrlich gesagt, nicht die ganze Wahrheit. So ist das Erlangen eines Partnerstatus bei Shopware wesentlich einfacher als bei Magento, zudem sind bei Shopware zum Teil auch Freiberufler bzw. einzelne Entwickler als Partner gelistet. Das ist an dieser Stelle nicht negativ gemeint – erklärt aber den großen Unterschied der Zahlen. Denn bei Magento würde ein Freelancer niemals die Chance haben, einen Partnerstatus zu erlangen.
Auch hier kann ich keine pauschale Aussage treffen. Denn jedes Projekt ist anders und ein auf Magento zugeschnittenes Projekt lässt sich mit Magento sicherlich wesentlich einfacher realisieren, als mit Shopware … und natürlich umgekehrt! Aber der Mythos, dass Shopware-Projekte günstiger als Magento-Projekte sind, ist kein Mythos. Genau beziffern lässt es sich zwar nicht, aber die Entwicklungskosten sind, aus verschiedensten Gründen, bei Shopware einfach geringer als bei Magento. Zwar ist der Abstand nicht mehr ganz so krass wie noch vor einigen Monaten bzw. Jahren, aber wir sprechen hier immer noch von einem zweistelligen Prozentbereich, in dem Shopware-Projekte günstiger zu realisieren sind.
Ein kurzer Blick in Google Trends verrät Ihnen die Wahrheit: Ja, Shopware hat eine höhere Sichtbarkeit und es wird mittlerweile mehr nach Shopware-Themen als nach Magento-Themen gesucht. Warum ist das so? Hier spielt sicherlich Magento 2 und die Neuausrichtung der Kundenzielgruppe eine gewaltige Rolle, denn Magento geht weg vom Mainstream hin zu den exklusiven Enterprise-Projekten. Shopware füllt nun diese entstandene Lücke.
Wie Sie in dem Chart sehen können, hatte Magento anfangs eine sehr hohe Sichtbarkeit bzw. viele Suchanfragen, doch Shopware hat immer weiter aufgeholt, bis sich die Wege 2016 sozusagen kreuzten und das Interesse an Shopware nun wesentlich höher ist.
Na klar veröffentlicht Magento regelmäßig neue Versionen, schließt Sicherheitslücken und fügt neue Funktionen hinzu. Doch wann kam der letzte große, damit meine ich wirklich große, Wurf von Magento? Etwas atemberaubendes, auf das die E-Commerce Welt gewartet hat? Als Magento die Cloud Edition veröffentlichte, war es ehrlich gesagt eher eine enttäuschende Erfahrung und die letzten Funktionserweiterungen waren vielmehr „notwendig“ als innovativ. Einfach weil der Wettbewerb ähnliches bereits bot und Magento nachziehen musste.
Bei Shopware hingegen ist, zumindest gefühlt, die Dynamik größer. Shopware 6, die Cloud Edition – man hat das Gefühl, dass hier regelmäßig etwas passiert und am Produkt gearbeitet wird. Das fühlt sich fast wie die Anfangsjahre von Magento an, als das Produkt im Fokus stand und jede neue Version einfach besser, ausgereifter und umfangreicher war als die vorherige.
Normalerweise, das trifft vermutlich auch auf Sie zu, erwartet man nun am Ende eines Blogbeitrages ein recht neutrales Fazit. Floskeln wie „Es kommt darauf an“, man muss „von Projekt zu Projekt entscheiden“ etc. Doch wenn Sie mich nach meiner persönlichen Meinung fragen, ob Shopware wirklich das bessere Magento ist, würde ich an dieser Stelle – auch wenn ich mich aus dem Fenster lehne – mit „Ja“ antworten. Denn Shopware macht mittlerweile die Dinge besser, die Magento groß gemacht hat. Das große und kollegiale Ökosystem aus Partnern und Erweiterungen, die Sichtbarkeit im Netz und auch das Thema Lizenzkosten bzw. Preisgestaltung. Shopware besetzt daher die frühere Domäne von Magento perfekt und klaut die damaligen Stärken. Aber, es muss ein Aber geben, wenn Shopware nun das bessere Magento geworden ist, zumindest wenn wir an die Anfangszeiten und die jungen Jahre von Magento denken. Ist dann Magento, dass sich ja ebenfalls weiterentwickelt hat, nun vielleicht das bessere Intershop bzw. Hybris? Diese Frage gilt es noch zu klären.