Die Bedeutung weicher Faktoren bei der Shopsystem-Auswahl
Vor einigen Wochen sind wir im Beitrag 7 typische Fehler bei der E-Commerce Systemauswahl bereits kurz auf sogenannte „weiche Faktoren“ bei der Auswahl des Shopsystem eingegangen. Auch diese Faktoren sind wichtig – und werden leider viel zu häufig zugunsten anderer unter den Teppich gekehrt. Wie hoch sind die Lizenzkosten der Shopsystem-Lösung und was kostet die technische Umsetzung meiner Anforderungen? Diese Fragen dominieren bei der Auswahl der passenden E-Commerce Lösung. Egal mit welchem Unternehmen wir sprechen, die Investitionskosten sowohl hinsichtlich der Lizenz, als auch der Implementierung, stehen im Vordergrund.
Gesamtkosten statt nur Lizenzkosten im Blick haben
Das ist stellenweise verständlich, denn Unternehmen können nur auf E-Commerce Lösungen setzen, die auch ins Budget passen. Auf der anderen Seite ist diese Eingrenzung bei der Auswahl des passenden Shopsystems etwas zu kurz gedacht. Denn letztlich holen Sie sich ein Stück Software ins Haus, welches sicherlich nicht in den nächsten 2-3 Jahren abgelöst wird. Kosten, die über die Laufzeit Ihres E-Commerce Projekts – also u.a. im Betrieb, im Projektmanagement, bei der Entwicklung – entstehen, werden bei dieser Fokussierung auf die Einführung und Lizenzen unterschlagen. Bei der langfristigen Perspektive und den Blick auf die Gesamtkosten sind Lizenz- und Implementierungskosten oftmals nicht allein entscheidend.
Nach meiner Erfahrung gibt es weitere Faktoren, die Sie bei der Systemauswahl berücksichtigen müssen. Werfen Sie einen Blick auf die folgenden 5. Einfach damit Sie nicht denselben Fehler wie andere machen, womöglich für Sie relevante Aspekte außen vor lassen – und später überraschend draufzahlen.
1. Zukunftssicherheit des Herstellers
Nur weil eine Lösung von vielen Unternehmen eingesetzt wird, heißt es nicht zwangsläufig, dass die Lösung für immer am Markt sein wird. Erfahrungsgemäß beschäftigen sich viele Unternehmen zwar mit der Shopsoftware als solcher, beispielsweise mit den Funktionen und der Benutzerfreundlichkeit, aber gar nicht so sehr mit dem Unternehmen, welches für die Entwicklung verantwortlich ist. Steht der Hersteller auf wirtschaftlich gesunden Beinen, sind Investoren am Hersteller beteiligt und falls ja mit welcher Absicht? Wie ist es dem Hersteller in den letzten Jahren ergangen usw.?
Auch bei Open-Source Systemen wie beispielsweise WooCommerce müssen Sie einen Blick hinter die Kulissen werfen, um zu verstehen, wie solide das Fundament der Shop-Software eigentlich ist. Beschäftigen Sie sich daher intensiver mit der Historie des Herstellers und hinterfragen Sie dessen geschäftliche Entscheidungen kritisch. Versuchen Sie auch nachzuvollziehen, wie die Zukunft des Software-Herstellers aussieht bzw. wie zukunftssicher das Unternehmen aufgestellt ist. Werden technologische Entwicklungen und deren Wandel in den nächsten Jahren in das Shop-System einfließen oder hat der Hersteller hierfür nicht die finanziellen Mittel?
2. Shopsystem Roadmap
Auch wenn Sie aus heutiger Sicht eine Lösung als gut und vielversprechend erachten, so sagt dies nichts über die zukünftige Entwicklung aus. Neben dem Status-Quo, d.h. was die Shop-Software heute leistet, muss immer auch die Roadmap berücksichtigt werden. Welche Funktionen, Anpassungen und Neuerungen sind für die nächsten 1-2 Jahre geplant? Was wird sich ändern, was bleibt konstant? E-Commerce durchlebt einen konstanten Wandel, umso wichtiger ist es, dass Sie sich eine Lösung ins Haus holen, die sich ebenfalls wandelt. Und vor allem, dass Sie auf einen Hersteller setzen, welcher eine konkrete Idee und Vorstellung für die nächsten Jahre hat. Hat ein Hersteller keine wirkliche Roadmap, ist dies meistens ein sehr schlechtes Zeichen.
Übrigens: An dieser Stelle sei als positives Beispiels für eine transparente Kommunikation und Roadmap das Unternehmen Shopware erwähnt. Denn Shopware verfügt über eine öffentlich einsehbare Roadmap bzw. Planung aufrufen können.
3. Behandlung von Bestandskunden
Unternehmen investieren oftmals viel Zeit und Energie in die Kundengewinnung. Doch die Pflege von Bestandskunden wird dabei häufig vernachlässigt. Lassen Sie sich daher nicht von ersten Gesprächen in der Akquisephase blenden. Es empfiehlt sich grundsätzlich, mit langjährigen Kunden des entsprechenden E-Commerce Anbieters zu sprechen. Welchen Support leistet der Hersteller wirklich? Wie haben sich die Lizenzkosten und Preise in den letzten Jahren entwickelt? Gerade dieser Punkt fliegt vielen Unternehmen im Rahmen eines E-Commerce Projekts früher oder später um die Ohren. So wird man eventuell initial mit hohen Discounts und Rabatten gewonnen und nachdem der Vertrag ausgelaufen ist bzw. verlängert wird, folgt das böse Erwachen.
Umso wichtiger ist es, sich mit Unternehmen auszutauschen, die seit Jahren Kunde des Herstellers sind. So erhalten Sie in der Regel einen guten Eindruck, mit was für einer Art Unternehmen Sie eine Partnerschaft eingehen möchten.
4. Anvisierte Zielgruppe & Branche des Shopsystem Anbieters
In welcher Branche, mit welchen Kunden verdient der Hersteller des Shopsystems Geld, bzw. möchte er Geld verdienen? Klingt das für Sie nach einer unwichtigen Frage? Weit gefehlt, denn durch die Ausrichtung in Hinblick auf die Zielgruppe und Branche erfahren Sie relativ schnell, welchen Stellenwert Ihr Unternehmen im Portfolio des Anbieters in den nächsten Jahren haben wird.
Hat sich ein Hersteller beispielsweise auf die Gastro-Branche spezialisiert, so werden vermutlich auch Anforderungen konkret aus diesem Bereich umgesetzt werden. Wenn Sie nun selbst aus dem Maschinenbau kommen, so passt dies nicht wirklich zusammen. Sie werden damit vermutlich nicht die Features und Funktionen erhalten, die Sie eigentlich für Ihre Branche benötigen – und die der Wettbewerb vielleicht mit dem nächsten Update „seines“ Anbieters einfach so erhält. Die Konsequenz ist womöglich, dass Sie Ihre Plattform schneller ablösen müssen als gedacht – und sie sich damit letztendlich nicht rechnet.
5. Professional Services
In der Regel werden Sie Ihr E-Commerce Projekt von einer Agentur und nicht vom Hersteller umsetzen lassen. Die E-Commerce Agentur ist dafür verantwortlich, Ihr Shopsystem zu entwickeln und die eingekaufte Webshop-Software entsprechend Ihren Anforderungen anzupassen und zu modifizieren, während viele Webshop-Hersteller primär auf den Verkauf von Lizenzen fokussiert sind. Das ist das typische Bild und speziell bei Lösungen mit einem großen Ökosystem – man denke an die Vielzahl an Magento Partnern – auch vollkommen in Ordnung.
Dennoch kann es für Sie eine spannende Alternative sein, wenn der Hersteller auch Ihr Projekt umsetzen kann. Viele Hersteller bieten diese Professional Services mittlerweile als Teil Ihres Geschäftsmodells. Darunter zählen Magento, Salesforce aber auch OroCommerce (in den USA). Worin liegt nun der Vorteil, wenn sich der Hersteller direkt um das Customizing und die Entwicklung kümmert? In der Regel werden diese Projekte etwas schneller und qualitativ hochwertiger umgesetzt. Denn der Hersteller hat letztlich die größte Expertise im Umgang mit seiner Software. Andererseits sind die Stundensätze in der Regel höher, verglichen mit einer Agentur.
Ob es für Sie relevant ist oder nicht, kommt immer auf das individuelle Projekt und Ihre Situation an. Wie auch immer Sie sich entscheiden, evaluiert werden muss diese Option im Vorfeld definitiv und sollte daher auch in Ihre Shopsystem-Auswahl bzw. Bewertung einfließen.
Fazit: Es geht nicht immer nur um direkte Kosten
Bei der Auswahl eines passenden Shopsystems sollten Sie nicht nur auf die direkten Kosten achten. Es gibt viele zusätzliche Faktoren, die eine gewichtige Rolle spielen – bzw. spielen sollten. Letztendlich sollte alle diese Faktoren als Entscheidungskriterien für Ihre Auswahl herangezogen werden. Die vorgestellten weichen Faktoren gehören ebenso dazu und werden leider viel zu häufig ignoriert. Ergänzende Informationen zu diesem Thema finden Sie auch in anderen Beiträgen zur Systemevaluation auf unserem Blog.