Maschinenbauer, die starke Wurzeln im ingenieurtechnischen Bereich haben, sollten sich mit dem Thema Prozessoptimierung auskennen. Viele Leben ja auch schlicht dafür. Der Hebel zur Optimierung ist dabei in vielen Fällen die Digitalisierung. Seltsamerweise endet die Leidenschaft zur Optimierung und Digitalisierung jedoch sehr häufig beim Thema Vertrieb.
Die Gegenargumente ähneln sich immer: Der Vertrieb von Industrieprodukten ließe sich eben nicht digitalisieren, sobald es um mehr als nur um Ersatzteile gehe. Oder die Kunden würden extremen Wert auf den persönlichen Kontakt legen und nur dann kaufen. Diese Argumente halten entweder der Realität nicht stand oder sie gehen am Problem vorbei.
Richtig ist, der Vertrieb der meisten Maschinenbau-Unternehmen ist eine personalintensive Aufgabe, die noch wenig automatisiert ist. Natürlich bedarf es des Accountmanagements für wichtige Kunden sowie des fachkundigen Austauschs und der persönlichen Verhandlungen über Preise und Konditionen. Das heißt aber nicht, dass nicht möglichst viele Tätigkeiten automatisiert werden sollten. Und zwar soweit es irgend möglich ist, ohne die Vertriebserfolge zu gefährden.
Das betrifft dann unzählige Routineaufgaben, die eine leistungsfähige B2B E-Commerce Plattform deutlich effizienter und sicherer abbilden kann als ein Mitarbeiter. Ein Beispiel aus der Logistik macht deutlich, dass dieses Problem den Unternehmen auch durchaus bewusst ist. In der Logistik sorgen etwa Distributed-Ledger-Ansätze auf Blockchain-Basis für mehr Transparenz und Sicherheit in komplexen Lieferketten. Obwohl noch weit von standardisierten Konzepten entfernt, ist das Interesse sehr groß, da ein durchgängiger Einsatz die Schwachstellen in Lieferketten – und damit Kosteneinsparpotentiale – offenbaren würde. Die Lieferung falscher oder verdorbener Produkte, teure Rückrufaktionen, Imageverlust … all das würde verhindert, in dem menschliche Fehler nachvollziehbar und korrigierbar würden.
Genau solche Probleme löst auch eine gut integrierte E-Commerce Plattform – allerdings im Vertrieb. Die automatisierte Bestellverarbeitung und ein automatisiertes Fulfillment steigern die Effizienz und reduzieren signifikant Fehler.
Statt Bestellungen über Telefonnotizen, E-Mail, Online-Formulare, eine Außendienst-App oder manuell gepflegte Bestelllisten aufzunehmen und in ein ERP zu überführen – mit allen Medienbrüchen und zwangsläufigen Fehlern –, lassen sich Bestellungen über die E-Commerce Plattform kanalisieren und automatisiert in ein ERP übergeben.
Neben Fehlervermeidung kommt damit auch die Zeitersparnis hinzu. Für Unternehmen mit einer hohen Anzahl an Bestellungen ist dies bereits ein enormer Kostenvorteil. Denn im Gegensatz zum Vertriebsmitarbeiter ist es der Vertriebsplattform egal, ob sie 5 oder 500 Bestellungen am Tag verarbeiten müssen.
Viele Unternehmen setzen hier bereits auf die elektronische Bestellung via EDI-Anbindung oder über Beschaffungsportale. Eigentlich auch schon eine Form von E-Commerce, eignen sich diese Vertriebswege in der Regel aber nur für die immer wiederkehrenden Standardbestellungen etwa bei Verbrauchsmaterialien wie Betriebsstoffen, Dichtungen oder z. B. elektronischen Komponenten in der Fertigung von Regelmodulen.
Ad-hoc-Bestellungen, Angebotsanfragen oder Neukundenorder lassen sich so jedoch nicht managen. Hier kommt ein entscheidender Vorteil einer dezidierten B2B-E-Commerce Plattform zum Tragen: Die kleinsten B2B-Pakete und MVPs einmal außen vor lassend, eignet sich eine Plattform sowohl für wiederkehrende Standardbestellungen (Bestelllisten Upload, Katalog-Punchout, EDI-Anbindung und OCR Erkennung sowie Anbindung von Branchenportalen) als auch für situationsgetriebene Bestellungen, die dann für den E-Commerce klassisch – wie wir es aus dem Konsumentengeschäft kennen – aus einem Shopfrontend heraus getätigt werden.
Das gilt genauso für den Vertrieb von komplexen Produkten oder gar individuellen Leistungen. Entscheidend sind dabei lediglich eine intelligente Produktpräsentation und das Vertrauen der Kunden in den Anbieter. An ersterem kommen Unternehmen sowieso nicht mehr vorbei, da die Informationsbeschaffung im B2B heute schlicht online stattfindet. Die Kaufentscheidung ist also fast schon final getroffen, bevor es überhaupt zum Kontakt mit dem Vertriebsmitarbeiter kommt. Wie sieht es aber mit dem Vertrauen aus?
Bei Bestandskunden ist die Frage eigentlich vernachlässigbar. Solange die Plattform allgemeine Usability-Standards erfüllt und die gewohnten Konditionen gelten, nehmen Bestandskunden die Plattform an. Potentielle Neukunden sind bei der Online-Beschaffung jedoch immer noch vorsichtiger als sie es im analogen Vertriebskontakt wären, auch wenn die Akzeptanz durch Gewöhnung steigt. Anbieter haben jedoch etliche Möglichkeiten, den Interessenten aktiv „einzufangen“. Ist z. B. der Bedarf sehr konkret und das Produkt eindeutig beschreibbar, besteht die Hürde meist nur in der Unsicherheit, ob auch Qualität und Ausführung wirklich passen. Diese Hürde lässt sich durch die Möglichkeit von Testbestellungen und kostenfreie Muster aber nehmen.
Bei komplexeren Anforderungen oder kostspieligen Beschaffungsaufträgen werden Interessenten jedoch in der Regel ein Angebot verlangen. Auch hier bietet eine B2B E-Commerce Plattform vielfältige Möglichkeiten, den Angebotsprozess zu vereinfachen und zu beschleunigen. Ein Beispiel ist die Zusammenstellung und Einrichtung von Schaltschränken für eine Produktionsstätte. Sofern die einzelnen Leistungsbausteine (Komponenten, Planung & Konzeption, Montage und Installation, Wartungsservices) einigermaßen standardisiert sind, kann der Kunde in einem Konfigurator die gewünschten Produkte und Gesamtleistung zusammen klicken und erhält in Echtzeit eine erste Kostenübersicht. Auch Details zu Layout und Einbau der Schaltschränke vor Ort lassen sich ohne persönlichen Kontakt vor Ort, wenn der Kunde über die nötigen Informationen verfügt. Mit einer mobilen AR-Anwendung als Ergänzung zur E-Commerce Plattform kann der Anbieter den potentiellen Kunden aber auch dabei unterstützen.
Vorab, wenn Sie mehr zu den Potenzialen des E-Commerce im Maschinenbau und den Aufbau einer E-Commerce Plattform erfahren möchten, besuchen Sie unsere Expertenwoche zur Mission E-Commerce im Maschinenbau:
Auf dieser Basis kann der Kunde dann eine Angebotsanfrage über die E-Commerce Plattform versenden. Interessentendaten und Angebot werden nun automatisiert im ERP hinterlegt. Der Vertrieb des Maschinenbauers kann dann immer noch entscheiden, ob das Projektvolumen interessant ist und entsprechend reagieren. Zum Beispiel mit einem Terminvorschlag für ein Webmeeting. Zu diesem Zeitpunkt kennt er allerdings schon die Rahmenparameter und weiß, dass zumindest ein echtes Interesse auf Anfrageseite vorliegt.
Im B2B E-Commerce – insbesondere wenn es um Hersteller geht – führt also kein Weg am persönlichen Vertrieb vorbei. Soll er auch nicht. Im Gegenteil wird der Vertrieb von Routineaufgaben entlastet und gewinnt Zeit, sich um die Akquise bereits vorqualifizierter Interessenten zu kümmern.
Transaktionen oder deren Anbahnung sind aber nur ein Optimierungsbaustein. Viel Zeit geht auch für die Pflege von Kundendaten verloren. Als serviceorientiertes Kundenportal konzipiert, entlastet eine E-Commerce Plattform auch von diesen Aufgaben. Änderungen bei Rechnungs- und Lieferadressen, kundenindividuellen Artikelnummern oder Einkäuferstrukturen und der Benutzerrollen bzw. Hierarchien im Kundenunternehmen können vom Kunden selbst über das Portal gepflegt werden. Oder Sales übernimmt diese Aufgabe bei A-Kunden doch selbst, allerdings in einer für intuitive Nutzung ausgelegten Oberfläche, was Zeit erspart und Fehler vermeidet. Hinsichtlich unkomplizierter Workflows und hoher Nutzerfreundlichkeit sind E-Commerce Systeme andere Anwendungen eben meist Jahre voraus.
Unter Service- und Supportgesichtspunkten gibt es noch etliche weitere Best Practices: Terminvereinbarungen lassen sich simpel auch so organisieren, dass Kunden sich passende Slots aus dem Kalender ihres Ansprechpartners heraussuchen – ohne Telefonat, ohne E-Mail-Ping-Pong. Nicht nur die gesamte Kundendokumentation lässt sich im Kundenkonto der E-Commerce Plattform abbilden, auch die Leistungsdaten von Geräten lassen sich – dank IoT – einbinden. Auf der Basis der Auswertung von Umsatz-, Bestelldaten sowie Online-Bewegungsdaten der Kunden, lassen sich dann auch Up-Sell Potenziale identifizieren, die jedoch beim Kunden als Service wahrgenommen werden. Die Sicherung von Arbeitsprozessen beim Kunden, etwa durch den Hinweis, dass Nährmedien im Labor zur Neige gehen oder Sensoren bald das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, ist eben ein Mehrwert und kein plumper Abverkauf.
Im persönlichen Kontakt vor Ort kann der Außendienst all diese Mehrwerte auch über den mobilen Zugriff nutzen. Alle Funktionen des Kundenportals, von Präsentation, AR, Bestellaufnahme bis Aftersales-Services und Customer-Insights, erhält er sozusagen auf dem Silbertablett. So entsteht für den Kunden wie auch für den Vertrieb des Maschinenbauers auf Basis der E-Commerce Plattform ein Servicetool, dass tatsächlich 360 Grad der Kundenbeziehung abdeckt.
Zugegeben, all diese Vorteile sind nicht für einen 5-stelligen Betrag zu haben. In mehreren Fällen kann sich eine Investition aber lohnen.
Auf die Mehrzahl der Maschinenbau-Unternehmen trifft sicher mindestens einer dieser Fälle zu. Außerdem bestellen bereits viele Kunden benötigte Materialien oder Vorprodukte online. Daher gilt es, nicht den Anschluss zu verpassen und sich für eine neue Aufgaben- und Rollenverteilung im Vertrieb zu öffnen.