Magento Live Europe – Liebesgrüße aus Amsterdam
Magento – oder soll ich an dieser Stelle besser direkt von Adobe sprechen – hat zur Magento Live Europe geladen und zahlreiche Magento-Fans sind dem Ruf gefolgt. Vor gut einer Woche hat die Magento Live Europe stattgefunden, dieses Mal in Amsterdam. Auch wenn ich nicht der größte Fan der Magento Live Europe Formatreihe bin, so bin ich dem Ruf doch auch gefolgt und habe mich auf den Weg gemacht.
Denn wie die Zukunft von Magento und Adobe aussieht, ist eine der wichtigsten Fragen, die man sich stellen muss, wenn man über die Einführung oder den Betrieb einer auf Magento basierenden E-Commerce Plattform nachdenkt.
Vorsicht: Jetzt kommt kein klassischer Recap!
Schaut man ins Netz, so werden Sie zur Magento Live Europe bereits eine Vielzahl an Blog-Beiträge finden. Blog-Beiträge die darüber berichten, wie toll oder schlecht die Location, das Abend-Event und die Stimmung vor Ort war. Diese Eindrücke sind sicherlich hilfreich, wenn man mit dem Gedanken spielt, eine Magento Live Europe – ganz egal in welcher Stadt – zu besuchen.
In diesem Beitrag lesen sie aber mehr über die Veränderungen in der Strategie und die Zukunft von Magento und Adobe. Themen, die für Sie wichtig sind, wenn Sie mit dem Gedanken spielen, auf Magento 2 zu setzen. Die Kompetenz der Event-Veranstalter und die Stimmung vor Ort sind da nicht so wichtig.
… um es auch nur einmal erwähnt zu haben: Ich persönlich empfand sowohl die Wahl der Location wie auch das inhaltliche Programm und die Organisation des Events mittelmäßig. Und so moderat bin ich auch nur, weil ich mich an viele andere tolle Events erinnern kann und das jetzige als den ersten Ausrutscher nicht gleich zerreißen möchte 😉
Adobe übernimmt Magento
So viel zum Seitenhieb, nun zu den wichtigen Themen. Wie wirkt sich die Übernahme von Magento durch Adobe auf das Produkt, die Lösung, Magento aus? Was passiert mit der weltweit populärsten Software zum Aufbau von Online-Shops, Webshops, E-Commerce Lösungen oder auch E-Commerce Portalen?
Spätestens nach diesem Event sollte klar sein, dass Magento in der Adobe Produktwelt komplett aufgehen wird. Ob der Name Magento vorhanden bleibt? Keine Ahnung – doch wenn man sich die anderen Services von Adobe anschaut, liegt diese Vermutung auf der Hand. Schaut man sich den mittelfristigen Plan von Adobe an, ist klar: Die Services werden miteinander verbunden werden und die umfassende Adobe Experience Cloud bilden.
Die Adobe Experience Cloud stellt ein mächtiges Instrument für Projekte im E-Commerce und dem digitalen Vertrieb dar. Es werden eine Vielzahl an Services und Dienste gebündelt, die im Zusammenspiel definitiv Sinn ergeben und auch ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Anbietern darstellen. Unter anderem sind Lösungen für folgende Herausforderungen und Bereiche enthalten:
- Content Management (Experience Manager)
- Marketing Automation (Marketo)
- E-Commerce (Magento)
- Web-Analyse (Analytics)
- uvm.
Das bedeutet konkret: Magento ist für Adobe nicht die eine Lösung in Sachen E-Commerce, sondern vielmehr eine wichtige Ergänzung der bereits vorhandenen Lösungswelt, um diese für E-Commerce Projekte noch attraktiver zu machen.
Strategisch lässt sich das mit der Übernahme von Demandware durch Salesforce vergleichen. Auch hier spielt die Demandware E-Commerce Lösung (Salesforce Commerce Cloud) nicht die eine zentrale Rolle, sondern ergänzt eben das bestehende Salesforce Portfolio. Den entgegengesetzten Weg gehen Anbieter wie Shopware, OXID eSales, Spryker & Co, die ihre zentrale E-Commerce Lösung um interessante Services in der Peripherie erweitern. Ob dieser Ansatz erfolgversprechender sein wird, wird die Zukunft zeigen.
Meiner persönlichen Meinung nach wird am Ende des Tages der Anbieter gewinnen, der alle benötigten Lösungen in einem smarten Paket vertreibt. So eben wie Adobe oder auch Salesforce.
Magento Open-Source mit Open End
Natürlich spricht Adobe respektive Magento immer davon, wie wichtig doch die Community und die Open-Source Edition sei. Das hat sicherlich auch den Grund, dass Entwicklungsleistungen und Entwicklungsarbeiten gut an die Community ausgelagert werden können. Ähnlich wie dies auch bei Linux der Fall ist. Gegen das Modell spricht per se nichts. Dennoch muss man als Magento-Nutzer und -Anwender schon verstehen, was dies perspektivisch bedeutet.
Auch wenn Magento bzw. Adobe die Magento Agenturen eng bindet und auch zu Contributors macht, sagt dies noch nichts über die Lebensdauer der Open-Source Edition oder ihre Einsatzzwecke aus. Es bedeutet nur, dass an einem öffentlich zugänglichen Projekt erst einmal jeder mitwirken und mitarbeiten kann. Eine schöne Geste, mehr nicht. Schaue ich mir aber an, in welche Richtung sich Magento entwickelt, bezweifle ich persönlich den Nutzen der Magento-Lösung für kleine- und mittlere Unternehmen oder Start-ups.
Magento wird perspektivisch Enterprise-Kunden einen großen Nutzen bringen, eben weil man aus der Adobe Welt die vielen verschiedenen Lösungen und Services im Zusammenspiel nutzen kann. Lösungen, die relativ kostenintensiv sind. So liegen die Lizenzgebühren beim Adobe Experience Manager locker im sechsstelligen Bereich. Im Gegensatz zu Google Analytics gibt es bei Adobe Analytics keine kostenfreie Version. Werfen Sie auch einen Blick auf die anderen Adobe Produkte, stellen Sie fest, dass kostenfreie Versionen grundsätzlich unüblich sind.
Ob und wie stark Magento in dieses Modell eingepasst wird, werden wir in den nächsten Monaten und Jahren erfahren.
Schwere Zeiten für Magento Agenturen
Jetzt komme ich zu den Magento-Agenturen, denn für die Entwicklung des Ökosystems sind diese eigentlich unerlässlich. Ohne Magento-Agenturen gibt es auch keine Magento-Projekte und ohne Magento-Projekte wird Adobe keinen Erfolg haben.
Auf die Übernahme durch Adobe folgten bei Magento Agenturen zwei unterschiedliche Reaktionen:
- Die Flucht nach vorn: Wir steigen in die Adobe Welt ein!
- Wir tun mal so, als ob wir in der Adobe Welt mitspielen können
Den richtigen aber risikoreichen Schritt nach vorn haben sich in Deutschland nicht wirklich viele Agenturen getraut. Da gibt es neben Techdivision eigentlich niemanden, dem man diesen Schritt zutraut und auch abnimmt. Mit der Flucht nach vorn ist gemeint, dass sich Agenturen neben reinen Magento-Projekten zukünftig auch mit den anderen Adobe Services vertraut machen und sich als Partner etablieren. Etwa für Adobe Experience Manager oder eben Adobe Analytics oder welche Services in Zukunft noch ergänzt werden könnten. Zugegebenermaßen ist dies eine Herausforderung für die aktuellen Magento Agenturen. Denn der Technology-Stack ist, im Vergleich zu Magento, ein komplett anderer und das notwendige Know-how taucht bei Agenturen auch nicht einfach über Nacht auf. Heißt: Wer den Schritt wagt, muss ordentlich in Personal, Marketing und Projekte investieren.
Daneben gibt es noch die sehr große Gruppe, die einfach einmal abwartet. Das sind Agenturen, die sich zwar das schöne Adobe Partner Logo auf die Seite kleben, aber an sich keinerlei Ressourcen und Know-how besitzen auch wirklich Projekte im Rahmen der Adobe Experience Cloud zu realisieren. Meiner Meinung nach macht es Adobe aber den aktuellen Magento Partner hier auch sehr einfach, da sich im Prinzip jeder das Adobe Partner Logo sichern kann. Das ist zwar aus Agenturperspektive sehr fair, wird aber auf lange Sicht auch wieder relativiert werden, entweder von Adobe selbst oder vom Markt, weil der Partnerstatus nicht mehr viel aussagt.
Zusammengefasst wird es speziell für die deutsche Magento Agenturszene aber schwierig. Denn Adobe adressiert weitaus größere Kunden und Projekte. Eine Größe, welche von den meisten deutschen Agenturen personell und fachlich gar nicht bearbeitet werden kann. Damit werden die Magento Global Elite Partner umso wichtiger und dürften sich zukünftig auf gute Geschäfte und Projekte freuen.
Wohin die Reise von Magento und Adobe geht
Ich habe schon in vorherigen Blog-Beiträgen erwähnt, dass Magento nicht mehr die Lösung für die breite Masse darstellt. – An dieser Stelle Entschuldigung für die Wiederholung -. Dieser Eindruck hat sich ich auch auf der Magento Live Europe nochmals verfestigt. War Magento anfangs ein Kind und nach der Übernahme von eBay ein Teenager, so ist es seit der Übernahme durch Adobe nun volljährig. Die Lösung ist zwar nicht perfekt, aber der Professionalisierungsgrad nimmt immer weiter zu und meiner Meinung nach hat Adobe „keinen Bock“ auf Small and Midsize Business und kleinere Projekte, die sich irgendwo im niedrigen sechsstelligen Bereich bewegen.
Vielmehr werkelt Adobe an der ultimativen Lösung für Unternehmen, die sich als digitale Player verstehen. Angefangen beim Content-Management über Commerce bis hin zu Marketing Automation. Diese Lösung muss an den Mann gebracht werden und wird definitiv ihren Platz in Enterprise-Projekten für große Konzerne finden.
Was dies für Magento bedeutet? Kurz- und mittelfristig vielleicht gar nicht so viel. Perspektivisch müssen wir uns aber alle von dem System verabschieden, welches wir in den letzten Jahren kennengelernt haben. Ob alles schlechter wird? Vermutlich nicht, eher das Gegenteil. Denn zum Glück gibt es viele alternative Lösungen und Möglichkeiten – und es wird weitere geben. Und Magento, das mit so sehr am Herzen liegt, darf dann hoffentlich wirklich in der Enterprise-Liga spielen und immer öfter sein Potenzial zeigen.