Wie das Thema Profitabilität den E-Commerce im Jahr 2024 dominieren wird
In der E-Commerce Industrie gibt es eine schöne Tradition, der vor allem immer Agenturen, Freiberufler und Influencer nachkommen. Der jährliche Blick in die Glaskugel. Einmal im Jahr, meistens in den ersten Januarwochen, wird darüber diskutiert welche Themen in diesem Jahr am wichtigsten sind. Eine Tradition, der wir uns natürlich anschließen. Auch wenn wir schon mit einem Fuß im Februar stecken, ist der diesjährige Blick in die E-Commerce Glaskugel bestimmt noch okay. Denn für Onlinehändler liegen spannende 11 Monate voraus, 11 Monate die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden können. Gehen wir's also an: Was bringt der E-Commerce im Jahr 2024 und auf was müssen Sie besonders achten?
Die letzten Jahren verstehen
Bevor ich ins Jahr 2024 blicke, sollten wir an dieser Stelle den Blick in die Vergangenheit werfen. Denn die Vergangenheit hat den E-Commerce aus dem typischen Wachstums herauskatapultiert und viele Ergebnisse verfälscht. Was in den letzten Jahren passiert ist, ist nicht wirklich als Referenz anzusehen. Die Rede ist von den Corona Jahren. Denn in diesen Jahren sind die Umsätze im Onlinehandel massiv gestiegen und auch sehr beschränkte Geschäftsmodelle haben irgendwie funktioniert. Man könnte auch sagen, egal was man als Onlineshop ins Netz gelassen hat, es hat funktioniert. Existente Onlinehändler haben zudem von massiven Umsatzsteigerungen profitiert. Klar, wo hätten die Menschen auch einkaufen sollen, als alle stationären Filialen geschlossen waren? Die letzten Jahre waren also vor allem von folgenden Eigenschaften geprägt:
- Hohes Wachstum
- Verlagerung von Offline Einkäufen in die digitale Welt
- Akzeptablen Werbekosten beispielsweise bei TikTok
- Launch von neuen Geschäftsmodellen und Shops
Wir lebten also alle in der oft erwähnten und tatsächlich existenten Goldgräberzeit, der E-Commerce war wie im Goldrausch. Problematisch an diesem einmaligen Effekt ist die Tatsache, dass viele Unternehmen die Ausnahme als Regel angesehen haben bzw. ansehen. Wir merken das in der Beratung häufig, wenn über Umsatzwachstum und Kennzahlen im Unternehmen gesprochen wird. Die Referenz ist viel zu häufig die Corona Zeit. Die Ausnahme wir zur Regel gemacht, was de facto sehr gefährlich ist. Denn die Zeiten ändern sich und wir kehren wieder auf den eigentlichen, langjährigen und nachhaltigen E-Commerce Wachstumspfad zurück.
Der Blick ins Jahr 2024
Genug mit dem Blick in die Vergangenheit, die übrigens nicht geändert werden kann. Also auch dann nicht, wenn sich viele Onlinehändler das wünschen ;-). Da wir im Onlinehandel wieder auf den eigentlichen Wachstumspfad zurückkehren und unnötige Geschäftsmodelle verschwinden, wird aus meiner Sicht das Jahr 2024 ein Jahr der Konsolidierung. Es geht nicht um unendliches Wachstum, sondern darum in den Dingen die man bereits tut, besser zu werden. Auch wenn ich mich jetzt ein wenig aus dem Fenster lehne, denn auch ich habe keine Glaskugel, sind es vor allem die folgenden Themen, die aus meiner Sicht das Jahr 2024 im E-Commerce dominieren werden.
1. Optimierung des Customer-Lifetime-Values
In der sich ständig wandelnden Welt des E-Commerce, in der sich 2024 als ein Jahr der Konsolidierung und Optimierung abzeichnet, rückt die Steigerung des Customer Lifetime Values (CLV) ins Zentrum der Aufmerksamkeit von Onlinehändlern. Dieses Vorhaben geht weit über die reine Akquisition neuer Kunden hinaus und fokussiert sich auf die nachhaltige Wertsteigerung bestehender Kundenbeziehungen.
Die Optimierung des CLV ist nicht nur ein entscheidender Hebel für die Profitabilität, sondern auch ein Indikator für die Fähigkeit eines Unternehmens, langfristige Kundenbindungen aufzubauen und zu pflegen. Um den CLV zu verbessern kann man unter anderem auf folgende Ansätze setzen:
- Personalisierte Kundenerlebnisse
- Verbesserung der Kundenbindung
- Optimierung der Kundenkommunikation
- Fokussierung auf After-Sales-Services
Am Ende des Tages kommt es jedoch ganz stark auf die Branche und die Zielkunden an. Denn gegebenenfalls, das gilt vor allem im B2B, kann man zudem neue Services und Leistungen ableiten, die wiederum zu einem erhöhten CLV führen.
2. Optimierung der Customer Acquisition Costs (CAC)
Die Werbekosten zählen bei den meisten Unternehmen im E-Commerce zu den größten Kostenblöcken. Denn ganz gleich ob Meta, LinkedIn, TikTok, Reddit & Co. wird die Werbung immer kostenintensiver. Das liegt vor allem am Wettbewerb, aber auch an den Plattformen die an der Gebührenschraube drehen. Man muss sich dabei nur die aktuellsten Zahlen von Meta anschauen und vor allem einen Blick auf die Werbeeinahmen werfen. Wird sich an dem Trend etwas ändern? Nein, vermutlich nicht ... Daher ist es umso wichtiger die CAC zu optimieren.
Die Senkung der CAC beginnt mit einem tiefgreifenden Verständnis der Zielgruppe und der Customer Journey. Es ist entscheidend genau zu identifizieren, wo und wie potenzielle Kunden am effektivsten erreicht werden können. Dies erfordert eine datengestützte Herangehensweise, bei der jedes Marketinginstrument und jeder Kanal hinsichtlich seiner Effektivität und seines Beitrags zum Unternehmenswachstum analysiert wird.
Darüber hinaus ist die Steigerung der Effizienz in den Marketingausgaben ein Schlüsselelement bei der Senkung der CAC. Dies beinhaltet die sorgfältige Auswahl und das Management von Werbekanälen, die Implementierung von SEO-Strategien zur Steigerung der organischen Reichweite und die Nutzung von Content-Marketing, um die Markenbekanntheit zu erhöhen und gleichzeitig die direkten Kosten für die Kundengewinnung zu reduzieren.
Abbildung 1: Kosten um Kunden zu gewinnen nehmen immer weiter zu
Wichtig an dieser Stelle ist vor allem die Identifikation von unperformanten und extrem teuren Kampagnen. Diese sollten abgeschaltet werden, bevor die Geldverbrennungsmaschine zu "krass" anläuft.
3. Prozessoptimierung mittels künstlicher Intelligenz
Menschen sind teurer als Computer bzw. Online-Services. Daher wäre es in vielen Fällen ratsam, menschlichen Ressourcen durch Computer bzw. Services zu ersetzen. Nicht weil man Spaß daran finden sollte Mitarbeiter freizusetzen. Sondern weil es unter dem Aspekt der Kostenoptimierung einfach sinnvoll ist.
Onlinehändler sollten sich daher kritisch hinterfragen, ob es im Unternehmen Prozesse gibt die:
- Komplett unnötig sind
- In der Intensität unnötig sind
- Automatisiert werden können
Tools wie Zapier, ChatGPT, Midjourney & Co. ermöglichen es auch "kleinen" Unternehmen auf künstliche Intelligenz zu setzen. Richtig verwendet kann die künstliche Intelligenz ein extrem großer Hebel sein, um Kosten zu optimieren. Einfach weil Services und KI günstiger sind als der Mensch selbst.
Übrigens: Auch wenn "Prozessautomatisierung" immer direkt nach Kündigungen klingt, muss das nicht die Konsequenz sein. Nur sollte man Mitarbeiter nie Dinge tun lassen, die auch ein Automatismus oder eine KI übernehmen könnte. Denn auf Dauer macht diese Art der Arbeit weder den Mitarbeiter glücklich, noch wirkt es sich positiv auf das Unternehmensbudget aus.
4. Replatforming auf kosteneffizientere E-Commerce Systeme
Speziell der technologische Aspekt hat im E-Commerce eine hohe Dynamik. Wir befinden uns immer noch im Transformationszeitalter weg von On-Premises zu Cloud / SaaS Lösungen. Dieser Trend wird sich 2024 aus meiner Sicht wahnsinnig beschleunigen, denn SaaS / Cloud ist in vielen Fällen im direkten Vergleich die kostengünstigere Lösung. Natürlich echauffiert sich speziell der schwäbische Mittelständler, wenn Unternehmen wie Shopify, BigCommerce oder Shopware die Kosten anhand des Umsatzes bemessen. Denn man möchte natürlich nichts vom Umsatz abgeben.
Auf der anderen Seite führen diese Lösung aber dazu, dass weniger internes IT Know-how vorhanden sein muss. Oder zumindest weniger IT-Ressourcen. Zudem ist die Notwendigkeit einer Agentur nicht mehr so stark gegeben. Der Trend geht weg von teuren Implementierungsprojekten und horrenden Maintenance Gebühren, die von E-Commerce Agenturen nur so sehr geliebt werden. Technologisch gestaltet sich die neue Zeit wesentlich schlanker und einfacher. Keine Notwendigkeit mehr für eine komplexe und teure IT-Infrastruktur, E-Commerce Projekte verlieren den Touch von riskanten IT-Projekten (kennt man ja nur aus dem ERP-Umfeld ;-)) und am Ende des Tages entlastet dieser Ansatz eben das Budget, speziell für kleinere Unternehmen.
5. Inhousing und somit Abbau von Agenturen / Dienstleistern
Die Strategie des Inhousing, also das Verlagern von bisher durch externe Agenturen oder Dienstleister erbrachten Leistungen in das eigene Unternehmen, gewinnt im Jahr 2024 zunehmend an Bedeutung. Durch den Aufbau interner Kapazitäten und Kompetenzen können Unternehmen ihre Abhängigkeit von externen Partnern reduzieren, Kosten kontrollieren und die Effizienz steigern.
Die größten Vorteile entstehen dabei vor allem in folgenden Bereichen:
- Kontrolle und Transparenz
Erhöhung der Kontrolle über strategische und operative Entscheidungen. Verbesserte Transparenz in Bezug auf Kosten, Prozesse und Performance. - Kosteneinsparungen
Reduzierung der Ausgaben für externe Dienstleistungen. Langfristige Kosteneinsparungen durch den Aufbau interner Kompetenzen. - Markenkenntnis
Vertiefung des Verständnisses und der Kenntnisse über die eigene Marke und Zielgruppe. Bessere Ausrichtung der Marketing- und Vertriebsstrategien auf die Markenidentität. - Schnelligkeit und Flexibilität
Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit auf Marktentwicklungen und Kundenbedürfnisse.
Inhousing ermöglicht es E-Commerce-Unternehmen, mehr Kontrolle über ihre Strategien und Prozesse zu erlangen und gleichzeitig die Effizienz und Effektivität ihrer Operationen zu steigern.
6. Erschließung zusätzlicher Vertriebs- und Absatzkanäle
An dieser Stelle möchte ich nicht, wie in den letzten Jahren, die Omni-Channel-Sau erneut durchs Dorf treiben. In den vergangenen Jahren wurde fast mantraartig immer die Diversifikation der Absatzkanäle beschworen. Dabei aber immer unter dem Aspekt der Umsatzsteigerung. In diesem Jahr geht es meiner Meinung nach aber weniger darum, über Vertriebskanäle den Umsatz zu skalieren. Vielmehr wird es wichtig werden, die richtigen profitablen Kanäle zu "picken" und sich auf diese zu konzentrieren.
In vielen Business Case Berechnungen bei unseren Kunden ist ein externen Vertriebskanal auch immer günstiger als der eigene Online-Shop. Natürlich steigt dadurch das Risiko der Abhängigkeit, aber rein auf Kosten bezogen können viele Onlinehändler über Plattformen und Marktplätze kostengünstiger als im eigenen Shop Bestellungen einsammeln.
Es wird daher wichtig die richtigen und passenden Kanäle zu identifizieren, auf weniger Hochzeiten zu tanzen und sich auf die profitablen Kanäle zu fokussieren.
7. Reduzierung unnötiger Ausgaben
Die Reduzierung unnötiger Ausgaben ist ein essentieller Schritt für Unternehmen, um ihre finanzielle Gesundheit zu stärken und ihre Wettbewerbsfähigkeit in einem hart umkämpften Marktumfeld zu sichern. Im E-Commerce, wo Margen oft unter Druck stehen und die Kosten schnell eskalieren können, ist ein sorgfältiges Finanzmanagement unerlässlich. Eine effektive Strategie zur Kostensenkung beginnt mit einer detaillierten Überprüfung aller Geschäftsbereiche, um Bereiche mit ineffizienten Ausgaben zu identifizieren. Dieser Prozess erfordert nicht nur die Analyse offensichtlicher Kostenpunkte wie Lagerhaltung und Versand, sondern auch die Betrachtung weniger augenfälliger Ausgaben wie Software-Lizenzen, Marketingbudgets und administrative Kosten.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Technologie. Viele E-Commerce-Unternehmen investieren in teure Softwarelösungen, die nicht vollständig genutzt werden. Eine gründliche Bewertung der bestehenden Technologielandschaft kann Aufschluss darüber geben, welche Tools und Systeme tatsächlich notwendig sind und wo Kosten eingespart werden können, sei es durch den Wechsel zu kosteneffizienteren Anbietern oder durch die Konsolidierung von Tools, um Duplikationen zu vermeiden.
Letztlich ist die Reduzierung unnötiger Ausgaben im E-Commerce ein fortlaufender Prozess, der eine konstante Überwachung und Anpassung erfordert. Durch die Implementierung strukturierter Überprüfungsprozesse, die Investition in die richtige Technologie und die Schaffung einer unternehmensweiten Kultur der Kosteneffizienz können Unternehmen ihre finanzielle Leistungsfähigkeit verbessern und sich für langfristigen Erfolg positionieren.
Der gemeinsame Nenner: Profitabilität
Die E-Commerce Themen des Jahres 2024 haben also alle eine Gemeinsamkeit: die Profitabilität. Viele Onlinehändler werden in diesen Jahren weiterhin mit sinkenden Umsätzen kämpfen. Ja, in gewissen Branchen zeigt der Pfeil nach oben, aber nicht eben in allen. Dabei werden aber Umsatzrückgänge nicht komplett verhindert werden können. Auch kann die Profitabilität nicht rein durch die Erhöhung der Marge erfolgen, denn je nach Wettbewerbssituation ist ja der Konkurrent nur ein Klick entfernt.
Der Hebel liegt daher in der Steuerung der eigenen Profitabilität, ohne einen negativen Impact bei der User Experience der Kunden zu riskieren. Maßnahmen, welche Kunden im ersten Step gar nicht merken und auch nicht negativ intern abfärben. Ein großer Hebel sind dabei Prozesse, die Automatisierung und die Nutzung intelligenter Systeme. Bekommt man zudem die Werbeausgaben in den Griff, ist die halbe Miete bereits geschafft.
Fazit
Die fetten Jahre sind vorbei, nun zeigt sich wer E-Commerce tatsächlich beherrscht. Muss man aber deswegen "Angst" vor dem Jahr 2024 haben? Nein, aber es gilt als Onlinehändler seine Hausaufgaben zu machen und sich um die Bereiche zu kümmern, die in den letzten Jahren oftmals liegen geblieben sind. Ist anschließend das Jahr 2024 überstanden, so wird man sich zukünftig auch wieder verstärkt auf das Wachstum konzentrieren können.